Wie gestalte ich ein artgerechtes Terrarium?
Um einen artgerechten Lebensraum zu erschaffen, müssen alle lebenswichtigen Faktoren des natürlichen Habitats ins Terrarium übertragen werden - und das ist gar nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint.
Die Bezeichnung "artgerecht" ist dabei etwas irreführend, denn ein wirklich artgerechtes Terrarium gibt es eigentlich nicht - zu begrenzt sind seine Maße, zu limitiert die technischen Möglichkeiten. Wir können bestenfalls versuchen, den natürlichen Lebensraum unseres Tieres so gut wie möglich nachzubilden.
Die Terrarien eines Zoohändlers können keinesfalls als Vorbild dienen, denn diese werden nach kommerziellen Gesichtspunkten gestaltet und sind nicht für eine dauerhafte Unterbringung bestimmt. In der Regel sind sie zu klein, überbesetzt und hinsichtlich Einrichtung und Technik nur mit dem absoluten Minimum ausgestattet.
Hier die wichtigsten Tipps zur Gestaltung eines Terrariums, das die Bezeichnung "artgerecht" tatsächlich verdient.
Am Anfang steht die sorgfältige Planung
- Zunächst solltest du dich ausführlich über die Haltungsbedürfnisse der jeweiligen Art informieren. Detaillierte Infos hierzu findest du in unseren Rubriken: Haltungsempfehlungen und Artenverzeichnis.
- Der Wahl des Terrarienstandortes muß gut durchdacht sein, denn falsche Entscheidungen können Probleme verursachen, die im Nachhinein nur noch schwer korrigierbar sind. Ungeeignete Standorte sind Eingangsbereich, Flur, Durchgangszimmer oder stark frequentierte Bereiche. Besser geeignet wäre ein ruhiger, etwas abgelegener Bereich ohne direkte Sonneneinstrahlung.
- Größe und Proportion des Terrariums sollten zur jeweiligen Art passen. Bedenke, dass viele Reptilen recht schnell wachsen. Somit könnte bereits nach relativ kurzer Zeit ein größeres Terrarium erforderlich sein. Hast Du diese Kosten eingeplant?
- Tierhaltung kostet Geld - Reptilien machen da keine Ausnahme. Futter, Vitaminpräparate, Reparaturen, Lampenwechsel, Strom, Tierarzttermine etc. sorgen dafür, dass Monat für Monat zusätzliche Kosten entstehen. Hält das die Haushaltskasse aus?
- Einige Arten können alt werden, sehr alt! Sie werden Dich vielleicht durch Dein ganzes Leben begleiten. Bist Du bereit dazu?
Ein gesundes Klima ist das A und O
- Der mit Abstand wichtigste Punkt in der Reptilienhaltung ist das Temperaturmanagement. Diesem Aspekt solltest du höchste Priorität einräumen. Die Wärmequelle muss leistungsfähig genug sein, um dein Tier bis auf „Betriebstemperatur“ zu erwärmen. Mehr: Vorzugs- und Betriebstemperatur und Temperaturen im Terrarium
- Um die „Betriebstemperatur“ zu erreichen, benötigen sonnenbadende Reptilien einen Sonnenplatz mit relativ hohen punktuellen Temperaturen, die von oben kommen sollten. Hierzu eignen sich je nach Tierart HQI-, HQI-UV- und Halogenstrahler. Nicht sonnenbadende, dämmerungs- und nachtaktive Reptilien decken ihren Wärmebedarf vorwiegend aus Luft- bzw. Bodenwärme, die mit Hilfe von Heizmatten, Heizschlangen oder Heizsteinen erzeugt werden kann. Um „Betriebstemperatur“ zu erreichen, benötigen sie eine eher milde und homogene Wärmezufuhr, die aus verschiedenen Richtungen kommen kann. Mehr: Bodenwärme und Terrarienlampen
- Für die Grundbeleuchtung eignen sich HQI-Strahler und Tageslicht-Leuchtstoffröhren am besten. Abhängig von der gehaltenen Tierart kommt entweder der eine oder der andere Lampentyp für dich in Frage. Mehr: Tageslicht
- Viele Schildkröten und Echsen benötigen UV-Strahlung. Bewährt haben sich HQI-UV-Strahler für eine ehr punktuelle und Leuchtstoffröhren für eine flächige Bestrahlung. Hier ist vor allem auf einen artgerechten UVB-Anteil zu achten. Mehr: UV-Strahlung
- Egal wie klein ein Terrarium ist, es sollte immer ein mehr oder minder ausgeprägtes Klimagefälle aufweisen. Dazu muss es in mindestens zwei Bereiche unterteilt werden, in einen warmen, trockeneren, hellen Bereich und in einen kühleren, feuchteren, dunkleren Bereich. Mehr: Klimazonen
- In subtropischen und gemäßigten Zonen sinken die Temperaturen nachts deutlich ab und damit auch Stoffwechsel und Aktivität. Um Stoffwechselstörungen zu vermeiden, solltest du bei Tieren aus diesen Regionen alle Heizquellen des Terrariums nachts ausstellen, am besten per Zeitschaltuhr. Auch die Jahreszyklen müssen berücksichtigt werden: Tiere aus gemäßigten Zonen benötigen eine mehrmonatige Winterruhe mit völliger Nahrungsabstinenz, Tiere aus subtropischen Zonen zumindest eine mehrwöchige Ruhezeit bei reduzierter Wärme und Nahrung. Mehr: Überwinterung
- Eine häufig unterschätzte Gefahr ist Überhitzung! Während der Sommermonate steigt die Temperatur in unseren Wohnräumen beträchtlich an - vor allem in beheizten Terrarium können dann schnell lebensbedrohliche Werte erreicht werden.
Regelmäßige Temperaturmessungen während der Sommermonate helfen, mögliche Überhitzungssituationen rechtzeitig zu erkennen. Durch bessere Belüftung, Schattierung und Inaktivierung von Beheizungssystemen solltest du rechtzeitig gegensteuern. Direkte Sonnenstrahlung ist besonders gefährlich - sie kann Glasbehälter innerhalb kürzester Zeit lebensbedrohlich aufheizen! - Zur Klimakontrolle sind ein Minimum-Maximum-Thermometer, sowie ein Hygrometer unverzichtbar.
Nützliche Einrichtungs-Tipps
- Versuche, im Terrarium eine große Bandbreite unterschiedlicher Bedingungen zu schaffen, damit deine Tiere in die Lage versetzt werden, ihre jeweiligen Bedürfnisse selbstständig zu regulieren. Vermeide vor allem Einseitigkeit, denn Einseitigkeit ist die häufigste Ursache für krankhafte Prozesse. Besitzt z.B. ein trockenes Wüstenterrarium keinen feuchten Bereich, drohen virale Infekte und Häutungsstörungen. Sind andererseits im feuchten Regenwaldterrarium keine trockenen Stellen vorhanden, entstehen leicht bakterielle Erkrankungen oder Pilz-Infektionen. Detaillierte Infos findest du unter: Klimazonen.
- Für eine gute Luftzirkulation benötigt man mindestens zwei Lüftungsflächen, die auseichend groß und richtig positioniert sind. Sie sollten nicht durch Einrichtungsgegenstände zugestellt sein. Bei schlechter Durchlüftung entsteht Staunässe, wodurch die Bildung von Schimmelpilzen und Fäulnisbakterien begünstigt wird. Detaillierte Infos findest du unter: Luftfeuchtigkeit
- Das Bodensubstrat sollte weitestgehend der gehaltenen Art entsprechen. Bewohner der Wüsten und Hochgebirge bevorzugen in der Regel wasserdurchlässiges Substrat, z.B. steinige oder sandige Böden. Reptilien aus tropischen Regenwäldern benötigen wasserspeichernde Substrate wie Torf, Kokosfaser oder Xaxim. Für andere Regionen wiederum eignen sich z.B. Mischungen aus Sand und Gartenerde. Detaillierte Infos findest du unter: Das Bodensubstrat
- Die Luftfeuchtigkeit im Terrarium wird maßgeblich durch das verwendete Substrat beeinflusst, denn wasserspeichernde Materialien geben wesentlich mehr Feuchtigkeit an die Umgebung ab als nicht-wasserspeichernde. Detaillierte Infos findest du unter: Das Bodensubstrat.
- Um schädliche Staunässe zu vermeiden, wird das Substrat mit Kieseln oder Steinen angereichert, bis eine angemessene Wasserdurchlässigkeit gewährleistet ist.
- Bei der Haltung von Echsen und Schlangen hat sich die "Wetbox" bestens bewährt. Vor allem In Halbtrocken- und Trockenterrarium ist sie mittlerweile unverzichtbar geworden. Eine Wetbox lässt sich mit einfachen Mitteln selbst herstellen. Mehr: Die Wetbox - genial einfach, einfach genial.
- Eine gute Strukturierung durch Pflanzen, Wurzeln, Steine, Äste usw. ist aus mehreren Gründen wichtig. Sie schafft Mikroklimazonen, Verstecke, optische Barrieren und bietet den Tieren motorische Anreize.
- Im natürlichen Habitat benötigt jedes Tier einen sicheren Zufluchtsort. Für Stressentlastung und Regeneration ist deshalb auch im Terrarium ein sicheres Versteck unverzichtbar. Es darf von keiner Stelle aus einsehbar sein, damit die Möglichkeit eines vollständigen Rückzugs gewährleistet ist. Du solltest das Versteck grundsätzlich als Tabuzone betrachten und dort nach Möglichkeit weder Umbauten vornehmen noch Sichtkontrollen durchführen.
- Reduziere Gefahrenquellen: Stabilisiere schwere Einrichtungsgegenstände, befestige Kletteräste, verwende keine spitzen, scharfen oder rauen Steinoberflächen, minimiere Sturzgefahren. Um Verbrennungen zu vermeiden, sollten wärmeerzeugende Strahler nur mit Schutzgitter betrieben und Wärmematten bzw. Heizschlangen außerhalb des Terrariums angebracht werden. Wassergefäße sind so zu gestalten, dass keine Gefahr des Ertrinkens besteht.
So vermeidest Du Stress zwischen den Bewohnern
- Die meisten Reptilien sind von Natur aus Einzelgänger und fühlen sich deshalb in Einzelhaltung wohler. Manche Arten können als Gruppe gehalten werden, allerdings nur unter genauer Berücksichtigung der Gruppenzusammensetzung.
- Abhängig von der jeweiligen Art sollte auf ein angemessenes Geschlechterverhältnis geachtet werden. In der Regel ist ein deutlicher Überhang an Weibchen sinnvoll. Insbesondere die Vergesellschaftung mehrerer Männchen ist häufig problematisch. Dies führt zu ständigen Rangeleien, Belästigung der Weibchen und Unterdrückung schwächerer Artgenossen.
- Territoriale Arten solltest du nur in ausreichend großen Gehegen und unter genauer Beachtung der Gruppenkonstellation halten. Die Rangordnung der Tiere muss aufmerksam beobachtet werden. Für unterdrückte Tiere ist Einzelhaltung dringend anzuraten.
- Je größer ein Gehege ist, desto geringer ist auch die Stressbelastung. Einen Überbesatz mit Tieren solltest du unbedingt vermeiden.
- Sehr wichtig ist eine gute Strukturierung mit Wurzeln, Pflanzen, Steinen usw. Sie verhindert, dass die Tiere in ständigem Blickkontakt miteinander stehen, gibt Orientierung bei der Revierabgrenzung und schafft Mikroreviere. Dies führt zu deutlicher Stressentlastung, insbesondere für rangniedrige Tiere.
- Es ist darauf zu achten, dass die verwendeten Terrarienlampen leistungsfähig genug sind, um alle Tiere ausreichend zu versorgen. Ferner sollten sie lang genug angeschaltet bleiben, damit auch rangniedrige Tiere genug Zeit haben, sich aufzuwärmen.
- Jedem Tier sollte ein blicksicheres Versteck und ein von Konkurrenten nicht gefährdeter Platz zum Aufwärmen bzw. Sonnen zur Verfügung stehen. Mehr: Paar- & Gruppenhaltung, Akute Stressbelastung, Chronische Stressbelastung